Warum die amerikanische Wirtschaft schwächelt
Der Verlust von Jobs im Produktionssektor kann nicht einfach China oder der Automatisierung zugeschrieben werden.
Am 22. April öffnete die Hannover Messe ihre Tore. Ein Schwerpunkt der weltgrößten Industriemesse liegt in diesem Jahr auf Robotik und Automatisierung. Entwicklungen, die vielen Sorgen bereiten, nicht nur in Deutschland. In Amerika machen Kritiker die Automatisierung für den Verlust von Arbeitsplätzen im Produktionssektor verantwortlich. Eine andere Sichtweise vertritt der amtierende US-Präsident Donald Trump. Für ihn ist China die größte Bedrohung für heimische Fabrikarbeitsplätze.
Keine der beiden Seiten ist im Recht. Die „China versus IT“-Debatte vernachlässigt, dass die Schwäche der US-Wirtschaft – sowohl in der Produktion als auch sonst wo – mit neuen Arbeitsmodellen einhergeht, und tief in schwacher Forschung und Entwicklung (F&E) verwurzelt ist.
Neue Beschäftigungsmodelle
Amerikas wirtschaftlicher Niedergang ist nicht nur eine Geschichte von Jobverlusten. Selbst in der Produktion arbeiten mehr und mehr Roboter neben den menschlichen Arbeitern, anstatt sie zu ersetzen. Und gemäß der Behörde für Arbeitsstatistik (Bureau of Labor Statistics) greifen immer mehr US-Arbeitgeber auf neue Beschäftigungsformen zurück.
Die US-Beschäftigungsrate fällt dabei, von 66,6 Prozent im Jahr 1994 auf 62,9 Prozent 2014. Die weibliche Beschäftigung ist ebenso am Fallen, allerdings langsamer – von 58,8 Prozent 1994 auf 57,0 im Jahr 2014.
Sobald wir uns jedoch den Beschäftigungsdaten von Hispanics sowie älteren Leuten zuwenden, erkennen wir, wie die amerikanische Wirtschaft andere Arbeitskräftereserven abruft. 2014 machten Hispanics 16,3 Prozent der 160 Millionen starken zivilen Erwerbsbevölkerung aus. 1994 waren es noch 9,0 Prozent von 131 Millionen. Arbeitskräfte über 55 Jahre machten 2014 etwa 16,4 Prozent der Arbeiterschaft aus – und 9,0 Prozent im Jahr 1994.
Schwache Leistung in Forschung und Entwicklung
Im Allgemeinen ist der amerikanische Arbeitsmarkt lebhaft. 2015 übertrafen die gearbeiteten Stunden der gesamten US-Gesellschaft die vor der Rezession von 2008/2009 gearbeiteten Stunden. Im Vergleich zur Ausschöpfung von Arbeitskräften sind Forschung und Entwicklung allerdings schwach.
Gemessen am BIP hat der Anteil an F&E in US-Unternehmen zwischen 2000 und 2013 kaum jemals 1,94 Prozent überstiegen. Sogar China holt die USA ein: Es erreichte im Jahr 2014 mit 1,58 Prozent eine erhebliche Steigerung der 0,54 Prozent im Jahr 2000. Am Ende dieses Zeitraums erreichte der F&E-Anteil in Südkorea – Heimat von Samsung und mehr – riesige 3,36 Prozent des BIP.
Diese Dynamik zwischen Beschäftigung und F&E übersteigt sicherlich das Verständnis von Donald Trump. In seinem Weltbild hat Peking einfach die eigene Währung, den Renminbi, abgewertet, um Exportgüter zu vergünstigen. Trump fordert, dass US-Hersteller aufhören, ihre Produktion nach China zu verlegen, genauso wie sie nicht nach Mexiko ausgelagert werden sollte. Vereinfachend? Sicher. Aber Trumps Kritiker sind nicht besser.
Keine Arbeitslosigkeit durch Automatisierung
Während des US-Wahlkampfs proklamierte das für seine wirtschaftsliberale Ausrichtung bekannte Wall Street Journal: „Wharton 1-Absolvent Trump versagt in Wirtschaft“. Aus Sicht des Journals würde die „global vernetzte, technologiegetriebene US-Wirtschaft“ immer Trumps primitiven Protektionismus schlagen. Technologie, nicht Handel, sei für den Verlust von 5,6 Millionen Arbeitsplätzen zwischen 2000 und 2010 verantwortlich.
Seit der Wahl haben sich Kommentatoren, die der Demokratischen Partei nahestehen, gegen Trumps Wirtschaftspolitik ausgesprochen. Die New York Times und die Harvard Business Review behaupteten, dass das Thema Automatisierung vor der Wahl wenig beachtet wurde und auf lange Sichtzu größeren Jobverlusten in der Produktion führen wird als Handel oder Outsourcing.
Das kann gut sein. Doch, wie John Maynard Keynes bekanntlich anmerkte: „Auf lange Sicht sind wir alle tot.“ Lasst uns also auf die kurze Sicht schauen: Seit der Rezession von 2008/2009 dümpelt die US-Produktivität dahin. Gemessen am Ertrag pro Stunde, fielen die jährlichen Wachstumsraten in US-Betrieben zwischen 2008 und 2015 von fast fünf auf weniger als zwei Cent.
Was auch immer die IT-Branche zur Automatisierung von US-Betrieben beitrug: Die Daten zeigen, dass der Effekt schwächer wird. Vielleicht liegt es daran, dass die IT-Branche einen erheblichen Beitrag zur amerikanischen Kapitalinvestitionskrise leistet. Als Prozentsatz des BIP stürzten die Investitionen für Informationstechnik im privaten Sektor zwischen 2000 und 2009 um ein Viertel ab. Seitdem stagnierten sie, und letzten Herbst waren sie zurück auf dem Niveau von 1995.
Natürlich ließe sich argumentieren, dass ein Teil des Niedergangs damit zusammenhängt, dass IT für Unternehmen billiger geworden ist. Doch schon die industrielle Einführung des laut umworbenen „Internets der Dinge“, zum Beispiel, gestaltet sich als viel teurer und kniffliger, als sich viele Leute vorstellen.
IT und Fabrikautomatisierung werden nicht die USA retten. Diese Sicht schmeichelt IT-Firmen – den neuen, der Demokratischen Partei nahestehenden, Herrschern des Universums im Silicon Valley. Es ist an der Zeit, dass sich die Amerikaner in ihrer Bewertung der Rolle der IT vom technologischen Determinismus und den falschen Versprechungen der letzten 100 Jahre lösen.
Schlussfolgerung
Die zunehmende, aber zögerliche, Einführung anspruchsvoller IT in US-Fabriken vollzog sich parallel zur Zunahme der Arbeitslosigkeit. David Autor, der über den „China-Schock“ berichtete und ein wenig Ahnung von IT hat, trifft es ganz gut: „Die Herausforderung ist nicht, dass uns die Arbeit ausgeht. Die USA haben seit dem Ende der Großen Rezession 14 Millionen neue Jobs geschaffen. Die Herausforderung ist, dass viele dieser Jobs keine guten Jobs sind“.
Solange amerikanische Unternehmer lieber auf Arbeitskräfteauslastung setzten, anstatt ganz neue forschungsbasierte Wirtschaftsfelder zu schaffen, werden sie ein Problem haben. Weder China-Bashing noch IT-Euphorie werden daran etwas ändern.
Aus dem Englischen übersetzt von Slava Wagner. Dieser Artikel ist zuerst im britischen Partnermagazin Spiked erschienen.
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