Erbsenzählen im 21. Jahrhundert
„Was man zählt, ist unter Kontrolle“, lautet ein besonders hartnäckiger Mythos unserer Epoche. Auch Josef Stalins Fünf-Jahrespläne umfassten Planzahlen für alles und jedes, und dann wurden doch nur Millionen Produkte hergestellt, die allesamt nicht funktionierten. Trotzdem: Die britische Regierung macht munter weiter und stellt Planzahlen auf, nur um – wie die jüngsten Peinlichkeiten um ein neues Bewertungssystem für die begehrten A-Levels (englisches Abitur) wieder einmal belegt haben – gehörig danebenzuhauen.
Doch die Erbsenzählerei beschränkt sich keineswegs auf den öffentlichen Sektor. Sie begann bekanntlich in den großen Privatfirmen der Vereinigten Staaten. Seit 1992, als Robert Kaplan und David Norton die „Balanced Scorecard“ als Maßstab der Unternehmensleistung erfanden, ist das Messen sowohl finanzieller als auch nicht-finanzieller Kennwerte schwer in Mode gekommen.
Doch nun ist etwas Neues geschehen. Maße der Innovation, also etwa die Anzahl der in den letzten fünf Jahren entwickelten neuen Produkte oder die Zeit, die man braucht, bis sie marktreif sind, haben an Bedeutung verloren. Stattdessen werden Unternehmensvorstände heute von der geradezu neurotischen Bestrebung angetrieben, alles, was sich bewegt (oder auch nicht), finanziell zu messen.
Vom Markenwert bis zu den Kosten der Fehlzeiten ihrer Mitarbeiter: jeder Dollar und jeder Euro müssen heute bemessen und verbucht werden. Das Ergebnis: Das Führen der Bücher verschlingt einen enormen Arbeitsaufwand. Doch es kommt noch schlimmer: Nun droht die Erbsenzählerei auch in die Welt der Informationstechnik Einzug zu halten.
Die aktuelle Konjunkturschwäche, obschon weithin übertrieben, bringt bereits eine Generation von Leuten hervor, die die Financial Times „die grauen Männer“ nennt – neue Vorstandschefs mit Finanzkarriere, Asset-Stripper und Sanierungsexperten. Unter deren Einfluss bestehen nun „normale“ Finanzdirektoren darauf, dass ihre IT-Abteilungen den Deckungsbeitrag ihrer Investitionen unter die Lupe nehmen und prüfen, was der Besitz all ihrer Computer überhaupt in Heller und Pfennig kostet. Das ist wohl auch der Grund, warum Microsoft diesen Fragenkreis in seiner neu aufgelegten Absatzkampagne für Windows XP und Office XP ganz groß herausgestellt hat.
Generell wird die Erbsenzählerei die künftige Entwicklung der IT-Branche wohl nachhaltig prägen. Die seit dem Enron-Skandal forcierte Entwicklung der International Accounting Standards (IAS) bedeutet, dass Unternehmen schon bald sehr genau werden nachweisen müssen, wo sich minütlich ihre Barmittel und Anlagevermögen befinden. Das kommt natürlich den Herstellern von Speichersystemen sehr gelegen und wird für die Branche voraussichtlich noch erheblich wichtiger werden als der Trend zur Verlagerung von IT-Aktivitäten aus den Unternehmen an große externe IT-Anbieter.
Trotzdem hält auch das Outsourcing die IT-Branche nach wie vor in seinem Bann. Bei IBM erwirtschaftet inzwischen der Geschäftsbereich IBM Global Services, neue Heimstatt der Technologieberater von PricewaterhouseCoopers und überwiegend im Geschäft mit dem Outsourcing tätig, 40 Prozent der Absatzerlöse. Manche haben zwar die jüngsten Ergebnisberichte des Geschäftsbereichs als Beleg dafür gewertet, dass auch IBM GS, wie sein größter Konkurrent EDS, mit dem Outsourcing keine besonders beeindruckenden Ergebnisse mehr erzielt. Andere meinen, die Probleme bei EDS eröffneten dem ehrwürdigen, wenn auch etwas verstaubten, Giganten der Computerbranche eine strahlende Zukunft als Unternehmensdienstleister. Wie dem auch sei – die Leistungen von IBM in der Innovation von Hard- oder Software sind nicht mehr von Interesse. Stattdessen dreht sich alles um die finanziellen Vor- oder Nachteile des Outsourcing.
Das ist alles recht ermüdend. In Bangalore, Indien, dagegen gibt es Grund zum Feiern – auch wenn die neurotische Kostenschneiderei im Westen zumindest teilweise etwas damit zu tun hat. Infosys, die indische Softwareservice-Gruppe, hat in den letzten drei Monaten Porsche und 17 weitere neue Großkunden gewonnen und 1865 neue Arbeitskräfte eingestellt.
Das sind nun wirklich interessante Zahlen.
Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Reul, Textbüro Reul GmbH, Frankfurt a. M. (www.textbuero-reul.de).
KOWTOWING TO BEIJING DEPT: Whaddya know? Keir Starmer finally discovers his ‘growth agenda’! As my piece also suggests, the portents don't look good for Labour to protect the UK from CCP operations https://www.reuters.com/world/uk/britain-pares-back-secretive-china-strategy-review-seeking-closer-ties-2024-12-16/
"By all means, keep up the salty, anti-Starmer tweets, Elon. But kindly keep your mega-bucks to yourself."
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Painting: Thomas Couture, A SLEEPING JUDGE, 1859
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