Woudhuysen



Die Zukunft liegt im Osten

First published in Novo 70, May 2004
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Zwei Neuigkeiten bestätigen, dass asiatische IT-Hersteller im Aufwind sind.

Der drei Mrd. US-Dollar schwere chinesische PC-Hersteller Legend ist gemeinsam mit Kodak, Panasonic, Samsung, General Electric, Schlumberger und anderen IT-Unternehmen jetzt Sponsor der Olympiade 2008 in Peking sowie der Winterspiele 2006 in Turin und hat für dieses Privileg gerade 65 Mio. US-Dollar auf den Tisch gelegt. Gleichzeitig hat IBM einen sehr großen und interessanten Auftrag in Indien unterschrieben. Der blaue Riese soll sich um die Hardware, Software, Rechencenter, Billing- und Customer Relationship Management-Systeme sowie die Helpdesks und die Ausfallsicherung des größten privaten indischen Telekommunikationsunternehmens Bharti Tele-Ventures kümmern, das seinerseits zu 28 Prozent dem Konzern SingTel in Singapur gehört. IBM soll mit diesem Outsourcing-Geschäft, durch das indische Arbeitsplätze ins IBM-Innovationszentrum im südfranzösischen Le Gaude und in die Vereinigten Staaten verlegt werden, in den nächsten zehn Jahren 750 Mio. US-Dollar verdienen.

Für Legend wiederum ist das Olympiageschäft entscheidend für den geplanten Aufbau der ersten chinesischen Weltmarke – Lenovo. Legend exportiert jährlich PC-Komponenten im Wert von 300 Mio. Euro in die Europäische Union und will hier nun auch komplette PCs vermarkten. Dafür braucht das Unternehmen nicht nur Vertriebskanäle, sondern auch öffentliches Imagebuilding.

Selbstverständlich wurde der Olympiadeal mancherorts milde belächelt. Legend hat einen PC-Marktanteil von 27 Prozent in China, verliert aber derzeit Geld mit seinen Mobiltelefonen und gab im März die Entlassung von 600 seiner insgesamt 12.000 Mitarbeiter bekannt. Seit China 2001 seinen Markt öffnete und der Welthandelsorganisation WTO beitrat, musste Legend, um auf dem heimischen Markt im Wettbewerb gegenüber Dell zu bestehen, eine Senkung seiner Gewinnmargen hinnehmen. Daher schrieb die Financial Times in ihrer ehrwürdigen “Lex column”, die olympischen Ambitionen des chinesischen IT-Herstellers seien „für Investoren weniger aufmunternd als für Sportsfreunde.“

Ausnahmsweise glaube ich, dass die FT irrt. Laut Yang Yuanqing, Vorstandschef bei Legend, belaufen sich die Kosten für Forschung und Entwicklung in seinem Unternehmen auf ungefähr ein Achtel der Kosten der amerikanischen Konkurrenz. Und mit 24 Mio. US-Dollar sind die Werbekosten im internationalen Vergleich – vor allem gemessen am frei verfügbaren Cashflow von 350 Mio. US-Dollar – gewiss ein Klacks. Eher ist davon auszugehen, dass das Olympiageld gut angelegt ist und den Absatz bei europäischen PC-Nutzern durchaus beflügeln kann. Bei allen Vorbehalten gegenüber Branding und sonstigen Spielereien, denen sich Unternehmen heute so gerne hingeben: In diesem Fall ist dies eine erfolgsträchtige Marketingidee.

Dass Bharti IBM indischen Outsourcern vorzog, scheint ebenfalls klug zu sein. Durch das Geschäft wird das Unternehmen nicht nur zum bevorzugten Telekommunikationslieferanten von IBM India. Man erwartet auch, dass die Anzahl seiner Mobilfunkkunden innerhalb von nur zwei Jahren von sechs auf 25 Millionen steigen wird. IBM ist wahrscheinlich der einzige externe Serviceanbieter, der mit solch rasantem Wachstum umgehen kann. Dass Bharti in diesem ersten spektakulären Fall eines umgekehrten Outsourcings ein paar Jobs abgeben muss, ist ein eher zu vernachlässigender Preis für ein so zukunftsweisendes Geschäft.

Doch werden die französischen und amerikanischen IBM-Mitarbeiter ausreichend mit indischen Gepflogenheiten vertraut sein, um verärgerte Bharti-Kunden, deren Signale irgendwo am Ganges verschwunden sind, am Helpdesk besänftigen zu können? Allein dass solche Fragen gestellt werden, unterstreicht, wie elitär die Ängste doch sind, die sich sonst eher mit dem umgekehrten Vorgang – also der Verlagerung westlicher Call-Center nach Indien – verbinden.

In den kommenden 20 Jahren werden indische Anbieter von IT-Dienstleistungen genauso wie chinesische Hardwarehersteller eine ganze Menge mehr tun, als Leute sich in dieser Ecke der Welt derzeit vorstellen. Und sie werden sich dabei europäischer und amerikanischer anglophoner Mitarbeiter genauso bedienen, wie das ihre Lieferanten und Kunden in Übersee tun.

Aus dem Englischen übersetzt von Sabine Reul, Textbüro Reul GmbH, Frankfurt am Main (www.textbuero-reul.de).

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